Klembow - Weg, Arbeit, Abschied

kleine Geschichten, die uns bewegen und ermutigen

10 Monate ist es her, daß wir aus Polen die ersten schrecklichen Bilder von Hunden in kleinen Kisten bekamen – aus Klembow.
Den Namen dieses Dorfes wird wohl niemand je vergessen, der die Bilder sah oder sogar selbst dort gewesen ist.
KLEMBOW
KLEM Hof 2
KLEM Hof 4
KLEM Scheune 4 9

Bereits im Februar überzeugten wir uns persönlich von den dortigen unglaublichen Zuständen. Wir hatten angeboten, für einen polnischen Verein einige Hunde von Klembow bis Posen zu transportieren, da man nicht über ein großes Auto verfügte – mehr sollte es nicht sein. Aber die Bilder der schreienden Hunde in der Scheune, der bei -20° ihre Welpen zur Welt bringenden Cyga, diese Unzahl von traurigen und bettelnden Augen und durch die Gitter gereckten Pfoten in den kleinen Verschlägen ließen uns nicht mehr los. Wir mussten hier einfach helfen.

Wegfahren, nie wiederkommen, diese Bilder nicht mehr aus dem Kopf zu bekommen,zu denken „vielleicht hätte man doch…“  - wir hätten nicht mehr ruhig schlafen können, hätten wir nicht alles versucht, was uns als kleiner Verein möglich war.

Alle Tierheime sind kein Ersatz für ein zu Hause, ob in Polen oder selbst in Deutschland. Aber Hunde unter diesen Umständen eingesperrt zu halten ist grausam – wir wollten alles versuchen,  wenigstens etwas zu verändern, wenigstens einigen dieser fast 300 Hunde zu helfen.

Wir wurden überwältigt von der Anteilnahme und Spendenbereitschaft der Besucher unserer Homepage - so war es möglich, in den darauffolgenden Monaten die Entwurmung aller Hunde (Spende von „Sabro hilft helfen“) und deren Impfung durchzuführen, wir  sandten Chips nach Klembow und überwiesen Geld für die EU-Impfpässe an einen Tierarzt vor Ort. Für all dies war in Klembow kein Geld vorhanden. Als Wichtigstes jedoch begannen wir mit der Kastration von Hündinnen, die fast ausnahmslos mit Rüden zusammensassen.

Viele Übernehmer meldeten sich, so daß wir bereits im März einen großen Transport mit 36 Hunden nach Deutschland durchführen konnten. Der schreckliche Keller in Klembow war hundeleer – ein erster Schritt war getan!

Die Informationen über Hintergründe, Zusammenhänge, den polnischen Verein und sein Asyl, die Menschen und Behörden, bekamen wir nur bruchstückhaft, vielen Fragenden in Deutschland konnten wir daher nur unzulängliche Antworten auf  Fragen geben. Vieles haben wir nie gänzlich klären können. Wie auch in Deutschland, machten Behördenvertreter Versprechen (u.a. dass sich 10 Gemeinden im September treffen würden, um über den Bau eines dringend notwendigen Tierheims einig zu werden), signalisierten Hilfsbereitschaft und Kooperation – im Endeffekt tat niemand etwas, um dies Asyl entweder zu unterstützen oder aufzulösen. Bis zum Juli war unser Ansprechpartner der Direktor von Klembow, der uns half, all die obenbeschriebenen Aktionen durchzuführen. Wer jemals den google-Translator benutzt hat und die entstandene Übersetzung prüfte, kann sich vorstellen, wie schwierig eine Kommunikation auf diese Art ist. Einzig unsere polnische Tierschutzfreundin, die bei all unseren Besuchen in Klembow ebenfalls anwesend war,  half mit oft täglichen Telefonaten zwischen uns und Klembow. Sie hatte den Grundstückseigentümer, der angeblich keinerlei Bau von festen Einrichtungen, nicht  mal Pfosten, erlaubte, in einem persönlichen Gespräch überzeugt und die Genehmigung für den Bau von insgesamt 16 Zwingern erhalten. Durch wieder viele Spenden waren wir in der Lage, das Material zu kaufen.

Im Juli war Frau Dr. Stange über viele Tage in Klembow, beschrieb und fotografierte alle noch vorhandenen Hunde.  Mike Du Beau half beim Bau der Zwinger, denn das größte Problem war plötzlich die Bezahlung der Mitarbeiter. Waren im Mai noch 8 da, verließen etliche im Juni/Juli Klembow, da sie über Wochen kein Geld erhielten. Wir bezahlten 3 Arbeiter für 3 Tage, um wenigstens die ersten Zwinger fertiggestellt zu bekommen. Auch die Pflegerin Marianna wurde seit Juli von uns bezahlt, da die Übernahme von Hunden mit vielen Dokumenten für Adoption und Amtsveterinär verbunden ist, was nur sie beherrscht. Der „Tierschutz Stade e.V. “ und „Sabro hilft helfen e.V.“ beteiligten sich mit jeweils 200 € an den Kosten für die Löhne, worüber wir sehr froh waren.

Wie glücklich waren wir am Ende dieses Arbeitseinsatzes, die ersten Hunde in den 7 fertigen Zwingern laufen zu sehen… Aber dann überstürzten sich die Ereignisse: der Grundstückseigentümer kündigte den Mietvertrag für Haus und Grundstück mit Celina und Leszek (1. u. 2. Vors.des Vereins), polnische Tierschutzvereine protestierten gegen Adoptionen nach Deutschland, der Direktor von Klembow, in dessen Hand ja die gesamte Organisation von Kastrationen, Zwingerbau und Ausreisevorbereitungen für die Hunde gelegen hatte, verließ aus persönlichen Gründen Klembow  - der Bau von weiteren Zwingern war daher weder möglich  noch sinnvoll. Traurig mussten wir dies einsehen und holten daher im August das nicht verbaute Material ab. Es wurde ins Tierheim in Belchatow gebracht, wo zum Jahresende der Bau von 14 Zwingern geplant ist. Bei dieser Fahrt konnten nochmals 22 Hunde Klembow verlassen.

Nach diesem Transport hörten wir das Unglaubliche, niemals Vorstellbare: die Scheune war leer.
leere Scheune 1

leere Scheune 2

Obwohl Klembow und die Hunde dort in Zeitungsberichten, im TV, im Dogomania-Forum ein Thema war, half niemand so wirklich. Auch der polnische Tierschutzverein „Fundacja Zwierzaki W Potrzbebie“, deren Vorstandsmitglieder wir im Juli in Klembow trafen, enttäuschte – außer einer Futterspende gab es von dort keine Hilfe, diese grausamen Haltungsbedingungen zu verändern.

Einzig ein Schreiben des Amtsveterinärs an die umliegenden Gemeinden mit dem Verbot der Abgabe von Hunden in das Asyl in Klembow zeigte einige Wirkung: einige Gemeinden beendeten die Zusammenarbeit, kündigten Verträge.  Leider kümmerten sich andere nicht um das Verbot und gaben weiterhin  Hunde dort ab. Es ist ein Teufelskreis: einerseits benötigt man „neue“ Hunde, die Geld bringen, um Arbeiter, Futter, Pacht, Elektrizität zu bezahlen, andererseits darf man keine nehmen.

Bei unserem September-Besuch – wir waren wieder zu Dritt da mit 2 Fahrzeugen – sahen wir 12 neue Hunde, die in den vergangenen Wochen gekommen waren. Fast ausschließlich kleine oder mittelgroße. Wir setzten ihnen Chips, baten die gerade anwesende Tierärztin, die Hunde zu impfen, so daß diese im Oktober eine Chance haben würden, Klembow noch zu verlassen. Hierzu gehörten auch diese 3, die wieder in den schrecklichen kleinen Drahtkäfigen im Quarantänewaggon sassen (Goranka wurde 2 Wo. später vom Franziskushof nach Deutschland geholt, zusammen mit 4 weiteren Hunden).
Astro, Ama, Goranka
Astro
AMA
Goranka2

HHP konnte nur eines tun - soviele Hunde wie möglich aus dieser Hundehölle retten, bevor der nächste Winter kam. Und das taten wir mit vielen Transporten: 23.-25.8. (23 Hunde), 20.- 22.9. (22 Hunde plus 5 mit 2. Fahrzeug), 18.-20.10. (23 Hunde) und unsere letzte Fahrt - 25.-27. 10. (11 Hunde am 26. und 23 Hunde am 27.). Die Arbeit, die hinter diesen Fahrten steckt, kann sich keiner vorstellen, der nicht einmal als Beifahrer mit in Polen war. Mit diesen Transporten, die ja neben unseren „monatlichen normalen Fahrten“ liefen, war auch die Grenze des Machbaren für unser kleines Team erreicht.

Die letzte Klembow-Fahrt (25.-27. Okt.): eine Tierschützerin aus Norddeutschland (sie hatte schon mehrere Klembow-Hunde aufgenommen) der besonders Schäferhunde und –mixe am Herzen liegen (die ja zum Schluss in Klembow überwogen) finanzierte ein 2. Fahrzeug mit Fahrer, welches wir mit 5 Hunden für Deutschland planten, sowie eine Beifahrerin für mich.  Eine Spenderin aus der Schweiz, die bereits für den Zwingerbau sehr viel gespendet hatte, meldete sich überraschend und wollte noch einigen Hunden helfen.Wir arrangierten die Aufnahme in einem grenznahen polnischen Tierheim durch ihre großzügige Spende,  so daß 6 weitere Hunde – u.a. 3 Amstaffs – Klembow verlassen konnten.

Zu Dritt – in 2 Fahrzeugen, fuhren wir die Strecke hintereinander her, das Zusatzauto wurde am Freitagmorgen mit 11 Hunden beladen (es hätte auch keiner mehr sein dürfen; wir kannten bei der Planung das Fahrzeug nicht, der Großteil der Boxen wurde von mir mitgebracht und abends im Hotel das erste Mal im Fahrzeug „gestapelt“). 5 gingen nach Deutschland, 6 in oben erwähntes polnische Tierheim.

Ich war glücklich,  all unsere Neuerungen in Benutzung zu sehen: die Welpenausläufe waren an unterschiedlichen Stellen aufgebaut und wurden sichtlich genutzt, der vordere heute durch 2 neu gekommene Welpen.
Welpenauslauf 2
neue Welpen 2

Alle 7 Zwinger waren belegt. Viele Besucher unserer HP fragten in den letzten Wochen gerade nach diesen Dingen, daher möchte ich dies hiermit beantworten: solange auch nur noch ein einziger Hund in Klembow lebt, dem durch einen Zwinger die Möglichkeit  auf etwas Freiheit geboten wird, statt in einer Holzbox zu sitzen, werden die Sachen dortbleiben. Das restliche, nicht verbaute Material hatten wir ja schon vor Monaten dort weggeholt. Zudem sind die Pfosten der Zwinger einbetoniert, ein Lösen ist nicht möglich.

Der Amtsveterinär kam am späten Vormittag, die Papiere lagen für ihn schon bereit. Seine Assistentin zählte akribisch alle im Tierheim vorhandenen Hunde. Trifft man auf neue Hunde, wird vom Amtsveterinär eine Anzeige bei der Polizei wegen Aufnahme in ein illegales Tierheim gemacht und Celina und Leszek müssen eine empfindliche Geldstrafe zahlen. Eine Möglichkeit, das Tierheim zu schließen, hat der Amtsveterinär nicht. Es gab außer den beiden Welpen 2 neue Hunde: ein wundervoller großer Schäfermix, LORD, und ein 12 J alter Spitzmix. Beide wurden von ihren alten Besitzern abgegeben, da der Mann im Krankenhaus liegt und die Frau Haus/Garten verkaufte und nach Warschau zog. Wer hätte diese Hunde sonst genommen – diese Frage stellte ich mir an diesem Tag zig Male…
LORD und neuer Spitzmix
Lord 2
neuer Spitzmix

Es war schon ein sonderbares Gefühl, zu wissen, daß ich mit Sicherheit in diesem Jahr nicht wieder auf dem Hof mit den bunten Boxen stehen würde; lange stand ich vor Drupi, der mich erst wütend hinter dem Gitter anging, dann aber, nachdem er von mir Pansen bekommen hatte, mich tatsächlich einmal anwedelte. Er gehörte zu den wenigen Hunden, die keine Chance auf eine Ausreise hatten.
DRUPI 3

Aber wieviele solcher Hunde sitzen in „unseren“ anderen Tierheimen, die wir auch jeden Monat wieder sehen, auch Hunde mit „Macken“ , mit denen man „arbeiten“ müsste – wäre es nicht sehr ungerecht, nur den Klembow-Hunden zu helfen und den anderen nicht? Den anderen aus den Mini-Zwingern in Belchatow, den Insassen der dunklen Innenzwingern in PT, den Hunden in den kleinen Zweier-Zwingern in Pabianice? Z.Bsp. KADO hat über 8 Jahre in Pabianice gesessen und keiner nahm ihn…(zum Freuen: er durfte im November mit ausreisen auf eine Pflegestelle).

Ich sass lange mit Celina und Leszek, der sehr krank ist, zusammen. Hatte ich bislang nicht so recht geglaubt an Tierschutz und Hilfe für Hunde auf diesem Hof, bekam ich heute einen Ordner vorgelegt, in dem sich Bilder, Tierarztrechnungen und seitenlange Aufstel-lungen von Tierarztleistungen befanden. Fotos von Hunden im furchtbaren Zustand bei Einlieferung - Autounfälle,  Verletzungen  durch Schläge, eingewachsene Halsbänder und vieles mehr. Ganz offensichtlich waren schwerverletzte Hunde operiert worden für viel Geld, man hatte ihnen eine Chance gegeben.

Als Beispiel möchte ich hier 2 Hunde anführen, die am 26. und 27. Oktober mit uns ausreisen konnten:

HEROS, mit ca. 1,5 Jahren am 8.7.2011 beschlagnahmt. Hier Übersetzung des ersten Teils der Tierarztrechnung, die sich auf 1121 ZL belief (ca. 280 €, für Polen sehr viel Geld): Hund aus Beschlagnahmung, eingewachsene Schnur am Hals 3 cm tief, Wunde am Hals mit der gleichen Tiefe, vereitert,  Temperatur 40°, Hund ausgehungert, bleibt bis Morgen in der Klinik; dann am nächsten Tag beim Verbandwechsel hat die Wunde sehr geblutet, man musste operieren und nähen
HEROS

MILAN, am 14.06.2012 im Wald gefunden, wo ihn sein Besitzer mit Maulkorb an einen Baum gebunden hatte, wo er verhungert wäre!
Milan 1
Milan 2

Mein Bild von Klembow geriet ins Wanken – ich stellte mir die Frage, wer diese Hunde wohl genommen bzw. ihnen geholfen hätte, wenn es diesen Verein und dies Asyl nicht gäbe? Die Antwort bekam ich von der Assistentin des Amtsveterinärs, die ich – aufgewühlt durch die Bilder und neuen Informationen – fragte: „wenn Sie im Wald einen angebundenen Hund sehen, was tun Sie?“ – Antwort: „Ich melde ihn der Gemeinde, wo ich ihn gefunden habe.“ Frage: „Und was tut diese Gemeinde mit dem Hund?“ – Schulterzucken…

Unfassbar, aber leider Realität: im gesamten Gebiet gibt es nicht ein Tierheim, nicht eine Stelle, die Hunde aufnimmt. Und die Behörden tun nichts. Das riesige Tierheim in Warschau nimmt nur Hunde aus dem Warschauer Stadtgebiet.

In Klembow hatte man vor einigen Wochen ein „Picknick“/Tag der offenen Tür mit viel Aufwand veranstaltet, hatte auf zahlreiche Gäste und viele vermittelte Hunde gehofft. Hier ein kleiner Film von diesem Fest. Die gezeigten Hunde sind fast alle mit uns nach Deutschland gefahren, einzig der Rottweiler von Leszek, der schon vor Schulklassen für den Tierschutz warb, ist natürlich noch da...:-(

Und dann machte ich meinen letzten Rundgang durch Klembow. Wie kann man nur so glücklich sein und trotzdem weinen…. die vielen vielen Boxen – jetzt leer, mit offener Tür, oft noch das Schild des so lange hier inhaftierten Hundes an der Box.  Der fürcherliche Waggon mit den ganz engen Quarantäneboxen – heute sassen nur noch Anecia und Anastacia  hier sowie Mikus – alle 3 reisten mit uns am nächsten Tag in die Freiheit, alle anderen waren leer. Und auch der Waggon mit den Drahtboxen war leer, bis auf die Box mit den beiden Welpen.


Huettenreihe
leer 2
leer 4
leerer Waggon

Dann betrat ich die schreckliche Scheune – das Gefühl, diese völlig leer zu sehen, war unbeschreiblich. Meine Beifahrerin, die eintrat und mich weinen sah, meinte „aber hier sind doch gar keine Hunde“…. „eben deshalb“ sagte ich…
In 7 Monaten hatten wir es geschafft, alle Hunde aus diesem Gefängnis zu befreien.
jeweils vorher und nachher:
KLEM Scheune 2
leere Scheune 3

KLEM Scheune 4 9
leere Scheune 1

Mit dem Dank an alle Helfer, Spender, Hundeübernehmer und Unterstützer möchte ich schließen – insgesamt 236 Hunde konnten diesen Ort verlassen - ohne sie wäre das nicht möglich gewesen.

In meinem Herzen hoffe ich, daß hier noch einige wenige Hunde Unterschlupf finden können, aber gleichzeitig hoffe ich ebenso sehr, daß es nie wieder diese Menge an Hunden in Klembow geben wird. Wir werden im Frühjahr hinfahren und uns überzeugen…

Beate Du Beau

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